backhome

PAKERY Mixedmedia Ausstellung - Workshop Nov.-Dez.2008 Lesung mit Musik
"Phänomene des Zyklus"in der Galerie Kulturforum CH-Laufen/Basel music Jeanne Iris Keller info


Improvisation zur Ausstellung Ensemble Gian-Pietro Onori, Musikschule Laufen
Lesung mit musikalischen Zwischentönen zur Finissage
Workshop in der Galerie des Kulturforums Leitung Pakery - Schulklasse Katja Zürcher

Laudatio von Dr. Markus Ramseier (nacherzählt / ppk)
Ich beginne sinnigerweise mit dem Lorscher Bienensegen nach einem Manuskript aus dem Kloster Lorsch. Er gehört zu den ältesten gereimten Dichtungen in althoch-deutscher Sprache und ist kopfüber an den Rand einer Seite der apokryphen Visio St. Pauli aus dem frühen 9. Jahrhundert geschrieben. Dieses befindet sich heute im Vatikan.
Kirst, imbi ist hûcze / Nû fluic dû, vihu mînaz, hera / Fridu frôno in godes munt / Heim zi comonne gisunt - Sizi, sizi, bîna / Inbôt dir sancte Maria / Hurolob ni habe dû / Zi holce ni flûc dû - Noh dû mir nindrinnês / Noh dû mir nintuuinnêst / Sizi vilu stillo / Uuirki godes uuillon
Christus, der Bienenschwarm ist heraußen! / Jetzt flieg, du mein Vieh, herbei.  / Im Frieden des Herrn, im Schutz Gottes,gesund heim zu kommen. - Sitze, sitze, Biene / Das gebot dir die heilige Maria. / Urlaub habe du nicht; / Zum Holze flieg du nicht; - Weder sollst du mir entrinnen. / Noch mir entkommen. / Sitz ganz still, / Bewirke Gottes Wille.
Holzschlag bedeutet Holzweg und Pakerys Weg ist der Holzweg wo die Ernte eingefahren wird – ein schöner sinnlicher Weg. Ein Einlassen der Künstlerin auf Stoffe, welche seit Jahrtausenden unsere Gegend geprägt, nämlich Holz und Bienenwachs. Es ist ein Zwiegespräch mit Stoffen, der mit Urtümlichem und Mysteriösem zu tun hat, so wie der alte Lorscher Bienenensegen es uns auch erzählt. Es ist wie eine Rückkehr zu den Wurzeln aus welchen der Mensch entstammt, eine Rückkehr zur Natur und zum Kosmos. Und in dieser Rückkehr spüre ich eine ganz grosse Sehnsucht. Eine auch mich ansteckende Sehnsucht nach Ruhe, Frieden und Harmonie.
Viele Kunstwerke wirken auf mich wie Urlandschaften aus Urzeiten, ein Gebrodel aus Farben und Tönen, durchwoben von Adern, Wasseradern, Lebensadern in Licht und Schatten getaucht. Die Bilder erzählen Geschichten und das Schöne dabei: jedes eine andere.
Vorab nehme ich als Beispiel das Bild Lithossphäre–Kosmos von 1x1m. Es ist Jute auf Holz mit Bienenwachs, Pigmenten und Metall, gevierteilt durch zwei Linien, die sich kreuzen, nicht mit dem Lineal gezogen, sondern Naturlinien an den Rändern gezackt. Ein Kreis nicht ganz rund und der sich auch nicht ganz schliesst; ein Krater, wo ich vermeine, ein vulkani-sches Blubbern zu vernehmen. Dazu gebündelt gebändelt durch Linien, das Kreuz kupferig schwefelig rostige violet-schwarze Töne. Eine rätselhafte Landschaft, fremd und doch nah, erzählt in einer Art Ursprache. Eine Landschaft, die mich beim Anblick lebendig macht und in mir vielerlei Assoziationen auslöst. So sehe ich kleine Hügel und Buckel, winzige Krächen und Rinnen. Das spricht mich als Flurnamenforscher natürlich besonders an.

Ich kann die Werke beäugen, mit den Augen beschreiten. Ich kann sie aber auch beschnup- pern. Sie riechen warm und weich nach Wachs. Ein sinnliches Erlebnis! Die Künstlerin hat sich mit der Natur auseinandergesetzt, mit den Elementen, mit dem Elementaren, auf eigenständige Art und so ist ihre Kunst eigen artig. Sie sucht sich ihr eigenes Licht und lässt sich dafür Zeit.
Das Bild “Seelenfrieden - Geschenk an Dich - ich weiss der Raum ,die Zeit” lässt sich ein auf die ganz grossen Symbole, welche auch mich als Schriftsteller beschäftigen. Raum und Zeit und dazwischen der Mensch irgendwo mitten in der doppelten Unendlichkeit auf der Suche nach einem Gegenüber, nach Erinnerungen und nach dem eigenen Innersten. Dieses Kunstwerk ist übersät mit Spuren. Es hat ein Zentrum und es ist wieder ein Kreis, wohin all die Spuren hinstreben oder auch davon weg. Im Detail ist es voll Bewegung und Unruh. Als Komposition gesehen strahlt es aber einen Frieden aus. Es sind Lebensbilder, die ganze Geschichten erzählen.

“Du bist so weiss, so weich in diesen blauen Stunden”, so ein weiterer poetischer sinnlicher Titel. Ein anderer Lebenskreis in pulsierenden Blautönen von hinten hell erleuchtet, um-rahmt von Dunklem.  Aber jeder Blauton wiederum gefüllt mit pulsierenden Untertönen mit Strukturen. Jedoch der letzte Schliff ist hier am Computer entstanden, was mich etwas er-schreckte. Was mir hier unheimlich erscheint – ich bin nämlich kein Technikfreak –, letzt-endlich  entpuppt sich die Komposition als sehr schöne Symbiose. Natur, Kultur und Technik sind hier versöhnt, denn nichts ist Selbstzweck und Pakery betreibt auch nie Selbstzensur.
Sie schenkt uns auch eine “fünfte Jahreszeit”. So lautet ein weiterer Titel. Schicht für Schicht ist Bienenwachs aufgetragen, geknetet, manchmal ergänzt mit Sand und Naturfasern oder anderen Materialien. Linien gekrazt in die Strukturen, wie Schriften hineingesetzt Begleitet von einer grossen Sehnsucht nach einem anderen tieferen Bewusstsein, nach anderen Energieströmen und Begegnungen, mit dem Unterbewussten, wo sich Neues auftut und mit dem Unerwarteten, das einem dann selbst auch überrascht. Ich denke mir dies so, denn ich habe nicht mit ihr geredet. Ob hier die vierte oder die fünfte Jahreszeit angedacht, ist bedeutungslos und ich muss es auch gar nicht wissen. Es ist schlicht ein Bild, das mir gefällt und mich anregt. Es strömt Harmonie aus und das hier geheimnisvoll ausstrahlende Licht wirkt tröstend.
Ein nächster Titel ist  “Sternenstaub und Stoffe”  mit dem Motto aus dem indischen Veda: Gott schläft in den Steinen, atmet in den Pflanzen, träumt in den Tieren und erwacht im Menschen. So habe ich den Eindruck, dass diese Bilder direkt aus Sternenstaub gemalt und sie ihre Kraft und ihr Licht nicht von hier beziehen, sondern aus einem Geheimnis ent-stehen, dass man nicht zerreden sollte. Jeder Mensch ist letztlich ein Rätsel, ein Begriff des Unbegreiflichen. Er besteht aus viel mehr Unsichtbarem als Sichtbarem, auch wenn dies heute viele Menschen nicht mehr wahrnehmen.

Dazwischen stehen die Stelen mit geheimnisvollen Einkerbungen, welche an die keltischen Elemente Luft – Feuer – Wasser - Erde nach der Trill Symbiose “Sicherheit und Heiligkeit” anlehnen und diesen Raum in eine besondere Schwingung versetzen.

Diese Werke wollen ganz bestimmt nicht das Äussere eins zu eins abbilden. Pakery will weit mehr und getraut auch dem Betrachter mehr zu. Sie macht ein Angebot an unseren Geist und an unsere Phantasien. Denn ihre Werke bewegen sich in der Zwischen- und Unterwelt, an der Grenze zwischen sicht- und unsichtbar, begreifbar unter der Philosophie der Rätsel.

Für mich ist die Beschäftigung mit Holz, Bienenwachs Sand, Metall, Naturfasern und Steinen in einem positiven Sinne Ausdruck eines Widerstands gegen den flüchtig grössenwich-tigen Zeitgeist und die Eventkultur. Es ist ein aufwändiger Widerstand der sich aber lohnt, denn er führt in eine beseelte beschwingte urwüchsige Welt. Es hat viel mehr mit uns und unseren Wurzeln zu tun. Ich verspüre in allen Arbeiten sehr viel Ehrfurcht und Respekt vor den letzten grossen Geheimnissen.

Ein unbekannter Hausbesitzer hat vor vielen Jahren einen Spruch auf seine Hausfassade an einen Holzbalken gemalt. Der Dichter Heinrich von Kleist hat diesen Spruch gesehen und er hat ihm so sehr gefallen, dass er diesen aufgeschrieben hat. Auch mir gefällt der Spruch sehr, weil er dem Rätsel so viel Raum lässt und so heiter endet: “Ich lebe und weiss nicht wie lang, ich stirb und weiss nicht wann, ich fahr und weiss nicht wohin, mich wunderts, dass ich so fröhlich bin.” In diesem Sinne aufs Holz, auf die Bienen, die Bilder und die Rätsel und eine fröhliche Fortsetzung dieser Vernissage und Ausstellung.